'Böse' (OT: 'The Mailman') von Bentley Little
oecherdrake | 01. Mai 10 | Topic 'Kritik'
Ben Stockley (S.143)
Ein Horrorbuch, das den treffenden Titel Böse hat, geschrieben von einem Autor, der als 'Meisterschüler von Stephen King'gilt - eigentlich gute Vorraussetzungen für ein neues Glanzstück des Gruselns.
Nachdem ein Fremder in eine ansonsten friedliche Kleinstadt kommt, herrscht dort die Hölle auf Erden.
Mehr braucht man eigentlich nicht sagen, typische Horrorkost für Zwischendurch, dem jegliche Innovation fehlt. Und doch zeichnet sich dieses Buch durch seine Leitlinienfähige Struktur aus: ein ansonsten vollkommen normaler Gegenstand bzw. eine ansonsten vollkommen normale Person (hier wäre das ein Postbote) entwickeln sich zum absoluten Grauen. Ähnliches gelang dem großen Meister ja bereits u.a. bei Cujo, wo ein eigentlich friedlicher Bernhardiner zur Bestie wird.
Haben sie in den letzten Jahren im Kino vielleicht mal Horrorfilme wie Freitag der 13., The Hills have eyes oder My bloody Valentine gesehen?
Dann haben sie mit Sicherheit ebenso wie ich bemerkt, dass sich von den Protagonisten her der Charakter immer kitschiger, mainstreamiger wird, teilweise aber auch nur verdammt schlecht dargestellt. Man fiebert mehr mit dem Bösen mit oder erwartet emotionslos die nächste Metzelei. Dies muss man leider auch Böse vorwerfen.
Die drei Hauptprotagonisten Doug Albin, seine Frau Trish und deren gemeinsamer Sohn Billy werden sehr eindimensional dargestellt. Kein Vergleich mit anderen Klassikern wie bereits erwähnter Cujo (Es tut mir leid liebe Leser, aber ich mag dieses Buch einfach.), wo Donna und Ted viel Hintergrund verpasst bekommen.
Eindimensionale Menschen wären aber nicht das Schlimmste, werden wir doch tagtäglich von solchen Menschen in Film,Fernsehen und Literatur begrüßt. Aber auch die Nebencharaktere erweisen sich als Klischeehafte Darstellungen verschiedener Typen des menschlichen Wesens.
Einzig der Antagonist, der bösartige Postbote John Smith, ist im Rahmen der Möglichkeiten perfekt designed worden. Diabolisches Äußere, seine Handlungen (ich verrate nicht zuviel vom Buch, wenn ich sage, dass der Postbote des nachts wie Rumpelstilzchen auf einer Klippe tanzt uns singt) und seine Wirkung auf die anderen Charaktere der Geschichte untermauern das Böse in diesem Menschen. Oder was auch immer John Smith im Endeffekt sein soll.
Es lässt sich aber sonst auch nicht viel zu diesem Buch sagen, die Story ist spannend ohne wirkliche Höhepunkte zu setzen, bis auf den Bösewicht gibt es keinen herausragenden Charakter. Ein durchschnittlicher Horrorthriller, der aber selten wirklich "gruselt" und man ihm eigentlich das Prädikat 'Mystery' zuordnen sollte.
TOP/FLOP 3
3. Das Ende - In Horrorbüchern ist es durchaus normal, wenn man nicht die wahren Hintergründe und Motive des Bösen erklärt bekommt, aber es werden einige Nebenhandlungen aufgeworfen, deren rote Fäden dann einfach im Nichts enden.
2. Der Postbote - Ein Bösewicht, vor dem sich die Menschen auch in der Realität fürchten würden. Einfach klasse.
1. Alle anderen Charaktere - Ich will in einem Horrorbuch/-film einfach mit den Charakteren sympathisieren können und lese nicht wegen der nächsten Schlachtplatte oder anderen Skandalträchtigen Szenen weiter. Um es übertrieben auszudrücken: Ich will weinen, wenn der Gute weint; lachen, wenn der Gute lacht und wenn der Gute den Bösen erledigt, dann will ich mit ihm triumphieren.
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'Sektenkind' (OT: 'Torn') von Chris Jordan
oecherdrake | 01. Mai 10 | Topic 'Kritik'
Randall Shane (S.167)
Verehrte Leser meiner ersten Kritik, dies ist keinesfalls eine bitterböse, schwarzhumorige Aussage eines kranken Serienkillers, sondern ein liebenswerter Kommentar des ehemaligen FBI-Agents Randall Shane an eine gute Freundin. Und so liebenswürdig, wie dieser Satz für sich alleine steht, so kommen dem Leser - sprich mir - eigentlich alle Charaktere vor. Aber warum alles vorwegnehmen...
In der Kleinstadt Humble (New York) gerät eine Geiselnahme in einer Schule außer Kontrolle. Zwar überleben alle Schüler und Lehrer und lediglich ein Polizist und der Geiselnehmer sterben, allerdings bleibt der zehnjährige Noah verschwunden und wird offiziell für tot erklärt. Seine Mutter Haley Corbin glaubt allerdings nicht an seinen Tod und engagiert daher den ehemaligen Ermittler des FBI Randall Shane. Im Zuge der Ermittlung kommen diese beiden Protagonisten einer ominösen Sekte in die Quere.
In Sektenkind ist nahezu alles dabei, was ein modernes Buch mittlerweile so hat. Man wird von einem Prolog begrüßt (der den Leser schon arg verwirrt, wenn man in ungefähr die Storybeschreibung kennt), die Haupthandlung verläuft in insgesamt fünf Teilen, die allesamt nochmal in mehreren Kapiteln unterteilt sind und am Ende verabschiedet ein Epilog.
Erwähnenswert ist hier vor allem das Design der einzelnen Kapitel. Über jedem Kapitel prangt dickgedruckt eine mehr oder weniger passende Überschrift. Da kann es dann vorkommen, dass man nun etwas zu 'Das Käsemonster' liest oder fiktive Persönlichkeiten direkt angesprichen werden ('Gib mir die Antwort,Batman'). Nett anzuschauen, aber auf Dauer überliest man diese Überschriften dann doch.
Die Länge der einzelnen Kapitel ist in den meisten Fällen mit kurz zu beschreiben. Literarisches Junk-Food, bei dem leider ab und an einfach kein Schritt vorwärts getätigt wird und die Story grundlos innehält.
Die Protagonisten des Buches lassen sich schnell klassifizieren, selbstverständlich sind die Mutter Haley Corbin und der Ermittler Randall Shane im Blickfeld des Lesers auf dem Weg zum Ziel unterwegs. Richtig warm wird der Leser allerdings nur mit dem Ermittler, obwohl man anhand der Ich-Erzählperspektive vom Autor eher in Richtung Mutter gedrängt wird. Der Nutzen der Ich-Erzählung erschließt sich insgesamt auch nicht unbedingt, weil nahezu in jedem Kapitel andere Charaktere im Vordergrund stehen und man so deren Gedanken liest.
Bei den Antagonisten drängelt sich kein Charakter wirklich auf. Wir haben da zum einen die klischeehafte Sektenanhängerin, die die Sekte zu spirituellen Höhenflügen verleiten will, ihren - mittlerweile wohl in Thrillern Usus - ausländischen Killertypen und den weltmännischen, aber ansonsten komplett abstrakt gestalteten Mann höheren Alters, der zur erwähnten Anhängerin im Kleinkrieg liegt.
Die Charaktere hören sich nicht nur abstrus an, sondern agieren auch recht abstrus. Grade das Finale des Buchs versetzt einem logisch denkenden Menschen einen Schlag in die Magengegend, es sei denn, man setzt nicht allzuviel auf plausible Charakterentwicklung.
Oh mein Gott, eine Sekte. Man liest in den letzten Jahren ja nicht genug über Freimaurer, Iluminaten oder anderen obskuren Organisationen, als dass dem Gelegenheitsleser so ein Buch wirklich auffallen dürfte. Doch Sektenkind bleibt in diesem Fall moderner. Und wahrscheinlich ist der Sektenaspekt auch eines der wenigen Highlights des Thrillers. Es schleichen sich nämlich unheimlich offensive Parallelen zu einer aktuell stark umstrittenen Sekte auf. Auch in Sektenkind enstehen die sogenannten Rulers durch die Ideologie eines einzelnen Mannes, der das Buch 'The Rules of One' schrieb und damit zu einer Ikone der Bewegung hochgehoben wurde.
Das System der Sekte baut dabei vor allem auf die materiellen Werte auf und das Erreichen eines angeblich sehr schwer erreichbaren Geisteszustandes.
Es ist schwer darüber zu berichten, denn so richtig erklären kann man diese Sekte gar nicht, ohne dass wieder zuviel verraten wird. Man merkt allerdings deutlich, dass eben diese Sekte absichtlich so gestaltet wurde - anders lassen sich die Parallelen nicht erklären.
Ansonsten aber bewegt sich Sektenkind doch auf recht überschaubarem Niveau. Die Charaktere bleiben blass, die Story bleibt zu abstrus und unlogisch. Dies gipfelt dann in einem Finale, das eigentlich keines ist, und einem Epilog, der durch eine Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung versucht eben jenes Finale nochmal auszumerzen.
Richtige Spannung kommt leider durch die zu unschlüssige Erzählung in Häppchen leider nicht auf, wodurch das Buch zwar recht langatmig daherkommt, aber letztendlich alleine durch seine "Aktualität" eine gewisse Brisanz gewinnt.
TOP/FLOP 3
3. Sprünge in der Erzählperspektive - Wenn man ab und an zwischen den Hauptprotagonisten und den Antagonisten wechselt, mag es durchaus erträglich sein. Wenn man aber in nahezu jedem Kapitel von einer anderen Charakterstimme begrüßt wird und nahezu JEDE Sicht einmal erläutert wird, kann es schon nerven.
2. Das Ende - An Kreativität schien es dem Autor zu mangeln, als er dieses Ende schrieb. Urplötzlich wird der eine Charakter als der Gute dargestellt, die Bösen bekommen ihre "gerechte" Strafe und anstatt den Cut anzusetzen, ergänzen wir alles einfach noch mit sinnlosen Zusatzinfos. Gedacht als i-Tüpfelchen, aber im Endeffekt nur wie die Zitrone auf dem Schnitzel: Sie ist da, aber wirklich essen will sie keiner.
1. Mut zur Offenheit - Man muss dem Autor Respekt zollen. Solch ein offensiver Umgang mit einer schwierigen Thematik, offen heraus Parallelen aufzubauen ohne Furcht vor Risiken - grade bei solch klagewütigen Gesellen - , gelingt nicht jedem. Chapeau!
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